In der heutigen Zeit hat jede Person einen festen Nachnamen, der von Generation zu Generation weitergegeben wird. Doch in der Vergangenheit, als die Bevölkerungszahlen noch geringer waren und weniger individuelle Unterscheidungen notwendig waren, beschränkte sich die Identifikation in erster Linie auf Vornamen. Im 8. Jahrhundert, als die Siedlungen wuchsen und mehr Menschen denselben Vornamen trugen, entwickelte sich die Notwendigkeit zur Verwendung von Beinamen zur besseren Identifizierung. Diese Beinamen konnten verschiedene Ursprünge haben, sei es die Herkunft, ein ausgeübter Beruf, eine besondere Fähigkeit oder körperliche Merkmale.
Stellen wir uns vor, es gab in einem Dorf zwei Männer namens Johann. Einer von ihnen war Weber von Beruf und wurde deshalb als „Webers Johann“ bezeichnet, während der andere Mann aufgrund seiner außergewöhnlichen Kraft den Beinamen „Stark“ erhielt. Im Laufe der Zeit entwickelten sich diese Beinamen zu den Nachnamen, die wir heute kennen, und so wurden sie zu „Johann Weber“ und „Johann Stark“.
Die heutigen Familiennamen, wie wir sie kennen, haben sich seit dem 15. Jahrhundert in Deutschland etabliert. Sie dienen nicht mehr dazu, individuelle Eigenschaften oder Merkmale einer Person zu kennzeichnen, sondern werden von Generation zu Generation vererbt und haben ihren Ursprung in den einstigen Beinamen.
Hertzke in Preußen
Für den Nachnamen gibt es viele Schreibweisen. In der Vergangenheit wurden Namen oft nach Gehör niedergeschrieben, wobei auf einheitliche Schreibweisen wenig Wert gelegt wurde. Dies wird noch komplizierter durch die Tatsache, dass der Nachname Hertzke aus dem heutigen Polen stammt, was zusätzlich verschiedene Sprachversionen in die Schreibweisen einfließen lässt. In Deutschland gibt es ungefähr 85 Namensträger, bei denen der Name mit „t“ geschrieben wird, und 325 ohne das „t“. Die Verteilung der Hertzkes ist auf der Karte links gut erkennbar (Namensverteilung 2019, Ancestry.com). Eine weitere Namensverbreitungskarte des Vereins für Computergenealogy zeigt deutlich die Verteilung von Hertzkes und Herzkes 1890 und 1996 konzentriert auf Nordwestdeutschland bis Nordwestpolen.
Folgende Varianten konnte ich bisher zusammentragen:
Hertzke/Herzke/Hertzske
Hartzke/Harcke
Hercge/Herczge
Hercke/Hercge
Hertzka/Herczka
Hertzky/Hertzski
Aufgrund der geografischen Nähe zwischen Deutschland und Polen existiert ein „Übergangsgebiet“ zwischen der deutschen und polnischen Bevölkerung. Daher sind die Verkleinerungsformen -ke (deutsch) und -ek (polnisch) gleichwertig. Dies erklärt, warum es eine weitere Variante des Nachnamens Hertzke geben kann, die Hertzek oder Hercyg heißt. Auffallend viele Herczegs sind in Ungarn anzutreffen.
Auch in meiner eigenen Hertzke-Familienlinie gab es im Laufe der Jahrhunderte unterschiedliche Schreibweisen, wobei der Name nur zwischen Hertzke und Herzke wechselte. Je weiter in der Vergangenheit zurück, desto häufiger wurde der Name ohne „t“ geschrieben. Im Jahr 1905 wurde schließlich in der Geburtsurkunde meines Urgroßvaters Carl Ernst Hertzke die Schreibweise offiziell festgelegt:
Zu No. 149
Auf Anordnung des königlichen
Amtsgerichts zu Tirschtiegel vom
16. November 1905 wird berichtigend
vermerkt:
Die Entbundene und ihr
Ehemann heißen mit Familien-
namen nicht Herzke, sondern
Hertzke.
Tirschtiegel, am 3. Januar 1906
Der Standesbeamte
gez. Wentzel
Aber was bedeutet Hertzke denn nun eigentlich?
Dazu gibt es einige Theorien. Ich habe mal die gängigsten zusammengefasst:
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Hertel, Engelbert schreibt 1935 in seinem Buch ‚Die deutschen Familiennamen‘, Seite 139, der Name Herzke gehe auf das althochdeutsche ‚Hardizo‘ (𐌷𐌰𐍂𐌳𐌹𐌶𐍉) zurück. Dies ist das gotische Adjektiv von hardus, was hart oder streng bedeutet. Im Komparativ und dem grammatischen Geschlecht Neutrum zugehörend, wäre die direkte Übersetzung ‚härter‘ oder ’strenger‘ (Feist, Sigmund, Vergleichendes Wörterbuch der gotischen Sprache, 1939).
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Gottschald, Max dagegen, leitet 1932 in seinem Werk ‚Deutsche Namenkunde‘ den Namen Harzke vom althochdeutschen ‚Hartwin‘ (hart, stark) ab.
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Kunze, Konrad gibt 1998 im dtv-Atlas Namenkunde die Deutung für Her(t)z als einen Übernamen mit kosender Funktion, wie Schatz, Schätzle, Liebermann, Her(t)z an. Meist aber als Kurzform des Rufnamens Hart(wig).
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Dräger, Kathrin schreibt 2017 in ‚Deutscher Familienatlas – Familiennamen aus Rufnamen‘ zu Herzke, dass bei den Familiennamen mit Har(t)z(-) Konkurrenzen mit Herkunftsnamen zum Mittelgebirge Harz und indirekt mit dem Berufsnamen für den Harzsammler bestehen. Bei den Familien mit Her(t)z(-) gibt es sie mit dem mittelhochdeutschen herz(e) ‚Herz‘ für einen Menschen mit (einem guten, frommen) Herzen und im Osten mit dem obersorbischen Berufsnamen herc ‚Spieler, Musikant‘ sowie mit Patronymen aus Rufnamen mit dem althochdeutschen, altsächsischen Namensglied heri für ‚Heer‘ + z-Suffix (s. Zoder, 1968, S. 732).
Vorwiegend ist demnach die Variante Herz und die Übernahme der Eigenschaften hart bzw. streng. Auch regionale Unterschiede sowie eine parallele Entstehung der Namen sind möglich und sollten bei der Deutung des eigenen Namens bedacht werden.